Zeige mir dein Bücherregal, und ich sage dir wer du bist!
Es war ein ganz normaler Diensttag an einem schönen Sommerabend. Ich saß alleine in meinem damaligen Zimmer in meinem Elternhaus und wusste nichts mit mir anzufangen. Im TV lief nur Mist, das Wetter war bescheiden und meine damaligen Freunde waren unterwegs oder verhindert. Was tun also? Auf meinem Regal stand schon seit ca. zwei Monaten ein Buch, welches mir ein bekannter in die Hand drückte und meinte „du musst das lesen, es rockt!“.
Als er mir das Buch damals in die Hand drückte, lache ich nur darüber (ich hatte nie etwas für Bücher übrig und empfand es als unheimlich anstrengend zu lesen). Lesen war für mich nur mit dem Zwang verbunden, irgendeinen Unsinn für die Schule zu lesen – wozu ich weder Lust noch Interesse hatte. Ich konnte maximal eine halbe Seite lesen und war derart angestrengt, dass ich mir weder etwas behalten konnte noch die Neugier verspürte, weiterzulesen. Nach einer halben Seite warf ich das Buch in die Ecke und sagte zu mir:
„So ein Mist! Warum zum Henker schaffe ich es nicht, nur eine verdammte Seite zu lesen ohne gleich Kopfschmerzen zu bekommen!“
Mal wieder versagt, sprach mein innerer Kritiker und aus meinem Hinterkopf sprudelten die negativen Glaubenssätze hervor, welche sich um einen Fixpunkt verdichteten: „Du bist und bleibst ein Idiot! Du wirst nie lesen können! Lass es bleiben!“.
Ich lege mich auf mein Bett, starrte auf die Wand zu meiner Linken und war einfach nur geschockt. Ich wusste nicht, was ich tun könnte, um diesem Gefühl zu entkommen. Ich beschloss, im Regen spazieren zu gehen. Dieser Spaziergang war keine Entspannung für mich, denn ich konnte den Gedanken einfach nicht loslassen, dass ich es doch irgendwie schaffen müsste, mich zum Lesen zu bewegen.
Nach wenigen hundert Metern blieb ich stehen, spürte den Regen auf meinem Gesicht, schaute in die Weite eines Weizenfeldes und erblickte einen Falken, der über dem Feld kreiste. Der Falke schien zu jagen. Er kreise langsam umher und fixierte einen einzigen Punkt im Feld, welches von einer leichten Brise in Bewegung gehalten wird. Diese Erhabenheit und Ruhe in vollkommener Bewegung. Dynamisch, hoch konzentriert und wunderschön. Ich bestaune dies einige Zeit, bis der Falke zum Sturzflug ansetzte, in das Weizenfeld schoss und nach wenigen Sekunden wieder nach oben kam. Plötzlich schoss auch mir ein Gedanke durch den Kopf:
„Eins nach dem anderen. Beständigkeit und Ruhe ist der Schlüssel. Der Falke kreist lange über dem Feld um sich in einem einzigen Augenblick der vollen Konzentration auf die Spitzmaus zu stürzen. Er setzt sich nicht unter Druck, ist entspannt in seinem Sein. Sicher genießt er den Wind unter seinen Flügeln und spürt die Freiheit, die ihn umgibt. Sein Flug ist sein Gebet und die Jagd sein Ritual“.
Ab diesem Augenblick änderte sich etwas in mir. Ich verstand, dass es mir nichts nützte, mich unter Druck zu setzten um unbedingt einer Erwartung zu entsprechen, welche ich an mich selber hatte. Aus diesem Gefühl entsprang eine Erkenntnis welche sich wie folgt artikulierte:
„Ich brauche, dem Falken ähnlich, eine Jagd-Strategie für das Lesen! Ich brauche ein Ritual! Etwas, womit ich mich wohlfühle. Etwas, dass mir Freiheit lässt, aber dennoch Zielgerichtet und effektiv ist!“
Lachend ging ich nach Hause und schmiedete einen Master-Plan, wie ich ab jetzt lesen werde. Dies war vor ca. 2,5 Jahren und seitdem habe ich stetig an meiner „Strategie“ gefeilt. Ich persönlich betrachte es nicht als eine echte Strategie, da ich es nicht bewusst im Detail geplant habe, sondern durch beständige Experimente eine gewisse Effektivität entwickeln konnte, die sich wie folgt strukturiert:
Mein Weg zum Lese-erfolg in drei einfachen schritten:
1) Die Themenwahl – was soll ich bloß lesen?
Dies war für mich immer eine große Herausforderung, da ich einfach total von der Auswahl der Werke überfordert war. Die Tipps von Bekannten waren auch vollkommen verwirrend. Der eine meinte, ich solle mit den „Klassikern“ (a la Moby-Dick, Krieg und Frieden, Nitzsche, Marx, Hayek, usw.) anfangen und mich Schritt für Schritt an die Moderne annähern. Wiederrum andere meinte, ich solle auf gar keinen Fall mit den Klassikern anfangen, da diese nicht dem heutigen Lese- und Schreib-Stil entsprechen und eine zu große Hürde darstellen.
Was also tun? Meine einfache Lösung hierfür ist das Arbeiten mit Zitaten!
Ich gehe auf eine beliebige Homepage mit vielen thematisch gegliederten Zitaten und suche mir ein Thema (meine momentane Lieblings Seite hierfür ist diese hier) aus den vielen Heraus. Hier schaue ich des Öfteren vorbei und lese ein Paar zufällige Zitate. Auch schaue ich mir die Themen an und folge meiner Intuition, nach einem Thema suchend, welches mich „zieht“. Nach der Auswahl eines Themas lese ich ca. 10 – 20 Zitate. Durch dieses Vorgehen habe ich eine komprimierten Überblick über ein Thema und gängige Autoren, die sich zu diesem Thema geäußert haben.
Nach dem Lesen der Zitate habe ich einen kleinen Einblick in das Thema und kann schnell sagen, ob es mich interessiert oder nicht. Gleichzeitig bekomme ich eine Ahnung von dem Stil des Autors und seine Herangehensweise an Themen. Schreibt er kurz und knackig, oder eher wie ich, umschreibend und detailverliebt? Meistens gibt es auch Übersichten über die verfassten Werke und eine Biographie des Autors auf der Seite (z.B.: who the f*** is Heraklit?)
2) Die Wahl der Bücher über Amazon und Co.
Nachdem ich mir einen thematischen Überblick über das Thema verschafft habe, gehe ich auf Amazon (hier gibt’s einfach die größte Vielfalt) und nutze die Filter und Suchfunktionen. Meistens gebe ich den Autor im Suchfeld ein und lasse mir alle Bücher anzeigen, die mehr als 4 Sterne Bewertungen haben und am meisten Empfohlen werden. Dann schaue mir noch das Feld „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“ an und wähle mir 3 Bücher aus, die ich mir dann bestelle (wenn möglich, gebraucht).
Und der dritte und wichtigste Schritt: beständiges, entspanntes lesen am Abend
Ich habe für mich eine sehr einfache und wirkungsvolle Regel festgelegt. Ich lese jeden Werktag eine Seite im Bett. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Bei mir war es so, dass ich am Anfang wirklich immer nur eine Seite gelesen habe, bis ich mich an das Lesen gewöhnt hatte. Nach kurzer Zeit (ca. zwei Wochen) habe ich bemerkt, dass sich meine Lesegeschwindigkeit Schritt für Schritt steigert und ich immer mehr den Drang verspürte, mehr als nur eine Seite zu lesen.
Nach ein paar Wochen habe ich bereits, im Schnitt, 15-20 Seiten pro Abend gelesen und schaffte, ohne Anstrengung und mit großem Vergnügen, zwei Bücher pro Monat.
Die Kunst des Lesens besteht für mich in der konsequenten Anwendung der einfachen und sinnvollen Grundsatzes: steter Tropfen höhlt den Stein. Mittlerweile habe ich mehr als 200 Bücher gelesen und beschäftige mich im Schnitt mit 3 Büchern/Themen Parallel. Immer noch lese ich so gut wie jeden Abend kurz vorm Einschlafen. Und immer noch sage ich mir:
„…komm, nur eine Seite!“
In diesem Sinne wünsche ich dir viel Leseerfolg und schöne Stunden!
Ich danke dir sehr für deine Zeit und dein Durchhaltevermögen und wünsche dir eine wunderschöne und lebendige Zeit.
Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen. – Samuel Butler
Ich grüße von Herzen,
Robert
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